Aktuelles

Willkommen in der digitalen Welt. Teil III. Wissenstransfer beruht auf 6 Säulen.

Dr. med. Frédéric H. Witte, 19.08.2024
Weiterlesen

Wissenstransfer ruht auf 6 Säulen

Die Anforderungen an moderne Aus- und Fortbildungskonzepte in der Medizin sind vielfältig. Was ist die Erwartungshaltung von User:innen in der Aus- und Fortbildung?

Qualität. Erstens sollte das Angebot eine hohe Qualität haben. Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art der Präsentation ist dabei entscheidend. Frontalvorträge in einer nicht enden wollenden Selbstdarstellung der Referenten haben ausgedient, interaktive Präsentationen und noch besser Modelle, wo die Nutzer aktiv eingebunden sind (z.B. Workshop), werden bevorzugt.

 Effizienz. Zweitens wird geprüft, ob die zeitliche Investition mit dem inhaltlichen Wissensgewinn in einer sinnvollen Relation steht. Muss ich den ganzen Nachmittag an einem Kongress verbringen, wenn ich nur an einem Beitrag interessiert bin? In diesem Sinne stellt die Option der Online Teilnahme an Kongressen eine große Bereicherung dar.

„Der Zeitaufwand muss in einem sinnvollen Verhältnis zum Wissensgewinn stehen. Online-Angebote und flexible Teilnahmeoptionen an Kongressen und Fortbildungen bieten hierbei große Vorteile.“

Fokus. Je konkreter das Fortbildungsangebot ist, je besser dieses auf meine spezifischen Bedürfnisse ausgerichtet ist, desto eher werde ich dieses nutzen. So erleben die Kurse zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung einen regen Zulauf.

Spezifische und zielgerichtete Fortbildungsangebote, die auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden zugeschnitten sind, finden großen Anklang.“

Multimedialität. Das Angebot an Fortbildungen bedient unterschiedliche Medien, spricht unterschiedliche Sinnesorgane an. Wir lesen in Fachzeitschriften, hören „Podcasts“, „streamen“ durch Videos, nutzen „APPS“, die wir mit Sprachsteuerung befragen, aktivieren unsere taktilen Sinne, wenn wir uns auf den „Touchscreens“ interaktiv bewegen, tauschen uns in „Communities“ aus. Wir lassen uns auch weiterhin sehr traditionell in einem Frontalvortrag berieseln, ohne natürlich parallel auf die Kommunikation mit den besten 853 online Freunden zu verzichten. Die Mitschrift ist nicht mehr notwendig, da die Unterlagen als „Download“ zur Verfügung stehen, wenn ich mich vorher auch „eingeloggt“ habe.

Unterschiedliche Medien und Sinneskanäle anzusprechen, erhöht die Lernmotivation und -effektivität.“

Motivation. Lernen soll Freude machen, dann gelingt es niederschwellig. Ganz im Vordergrund steht die eigene Motivation. Ich habe immer dann am meisten gelernt, wenn ich gefordert war, ein konkreter Fall gelöst werden musste, ich vor einem Problem stand und es lösen musste. Es ist das tägliche Lernen auf der Station, im Nachtdienst, in den vielen Gesprächen mit Kollegen, es sind die Patient:innen und Angehörigen, die mit Fragen Hilfe suchten.

Freude am Lernen ist ein Schlüsselfaktor. Konkrete Fallbeispiele und praxisnahe Herausforderungen fördern die intrinsische Motivation und den Lernerfolg.“

Kritische Reflexion. Auch wenn wir aus der fachlichen Perspektive auf jede Information zugreifen können, nimmt die Diskussion und kritischer Reflexion im Kollegenkreis eine elementare Rolle in der ärztlichen Aus- und Fortbildung ein. Das faktisch Korrekte kann im falschen Kontext das praktisch falsche Ergebnis generieren. Es unsere akademische Pflicht, die in der Vergangenheit definierte Wahrheit, in einer sich ständig ändernden Welt immer wieder kritisch zu hinterfragen. Nur so ist Evolution möglich, nur so werden wir einen Erkenntnisgewinn in der Zukunft erfahren.

Heute Student:in, morgen schon im klinisch praktischen Jahr im Krankenhaus (KPJ) tätig, übermorgen schon in der Ausbildung zum/zur Allgemeinmediziner:in oder Facharzt/-ärztin. Aus- und Fortbildung ist ein ständiger Begleiter im klinischen Alltag. In Zeiten der „Hochfrequenzrotationen“ in 3-monatlichen Intervallen hat sich die Erwartungshaltung der Gesundheitsbetriebe um 180 Grad gedreht. Der/die „Jungarzt/-ärztin“ als billige Arbeitskraft für die niederen Tätigkeiten auf einer Station ist ein Relikt der Geschichte. Heute sind wir bestrebt unsere neuen Mitarbeiter in einem intensiven Training rasch zu qualifizieren, weil wir diese Qualifikation zur Versorgung der Patient:innen brauchen.

Wir als lehrende Ärzt:innen im Krankenhaus stellen uns gerne diesen Herausforderungen einer digitalisierten Welt der tausend Optionen und haben ein genuines Interesse unser medizinisches Wissen an die kommende Generation weiter zu geben, denn sie sind die Ärzt:innen der Zukunft, sie werden einmal auch uns behandeln. Die medizinischen Lehrer:innen der älteren Generation werden sich an eine digitale Zeit anpassen, die jüngere Generation hat gelernt, dass der Wissenserwerb notwendig und mit konsequenter und harter Arbeit verbunden ist. Trotz künstlicher Intelligenz mit Chat GPT, Dr. Watson und Google, wird die Investition in das eigene Wissen weiterhin eine nachhaltige Investition in die eigene Zukunft bleiben.

„Der Wissenstransfer in der Medizin muss sich an die digitalen Gegebenheiten anpassen, ohne dabei die fundamentalen Prinzipien der Ausbildung und kritischen Reflexion zu vernachlässigen. Die Integration moderner Technologien in die medizinische Aus- und Fortbildung bietet immense Chancen, um die nächste Generation von Ärztinnen und Ärzten optimal vorzubereiten und die Qualität der Patientenversorgung weiter zu verbessern. Die kontinuierliche Weiterbildung und Anpassung an neue Erkenntnisse und Technologien bleibt eine der größten Herausforderungen und gleichzeitig eine der wichtigsten Aufgaben für das Gesundheitswesen.“